Die Landgerichte in Ellwangen, Tübingen und Ulm feierten im Jahr 2019 ihr 200-jähriges Bestehen. Zum 1. Januar 1819 wurden im Königreich Württemberg unter König Wilhelm I. vier Gerichtshöfe errichtet: Der Königliche Gerichtshof für den Neckarkreis in Esslingen, der Königliche Gerichtshof für den Schwarzwaldkreis in Tübingen, der Königliche Gerichtshof für den Jagstkreis in Ellwangen und der Königliche Gerichtshof für den Donaukreis in Ulm. Die Gerichtshöfe waren als Eingangsinstanz für Zivil- und Strafsachen sowie als Appellations-instanz für die Rechtsmittel gegen die Entscheidungen der Oberamtsgerichte in Zivil- und Strafsachen zuständig und nahmen damit die bis heute bewährte Struktur der Landgerichte im Wesentlichen vorweg. Drei dieser Gerichtshöfe haben sich zu den heutigen Landgerichten in Ellwangen, Tübingen und Ulm entwickelt. Der Kreisgerichtshof in Esslingen wurde im Jahr 1869 nach Stuttgart verlegt und so zum Vorläufer des Landgerichts Stuttgart.
Gemeinsamer Festakt am 22. März 2019
Bilder: Verena Müller
Aus Anlass des Jubiläums hatte Minister der Justiz und für Europa Guido Wolf MdL am 22. März 2019 zu einem gemeinsamen
Festakt der drei Landgerichte unter Einbeziehung des Amtsgerichts Esslingen nach Ellwangen eingeladen. Präsident des Landgerichts
Friedrich Unkel konnte im Schwurgerichtssaal des Landgerichts auch im Namen seiner Kollegen Lutz-Rüdiger von Au aus Ulm, Reiner Frey
aus Tübingen und Andreas Arndt aus Esslingen rund 160 Ehrengäste begrüßen.
Die Gründung der Kreisgerichtshöfe war, so Minister Wolf in seiner Ansprache, zukunftsweisend für Gerichtsbarkeit und
Rechtsstaatlichkeit in Baden-Württemberg. Dezentrale Struktur, Bürgernähe und Kenntnis der örtlichen Verhältnisse
seien die besten Voraussetzungen für eine leistungsfähige, vertrauenschaffende Justiz geblieben. Die vor 200 Jahren errungene
Unabhängigkeit der Richter sei in Deutschland heute selbstverständliche Realität. Angesichts bedenklicher Entwicklungen in
Europa rief der Minister dazu auf: „Als überzeugte Europäer müssen wir ein klares Bekenntnis ablegen. Wir haben in
Europa eine Werte- und Rechtsgemeinschaft mit der Unabhängigkeit der Justiz, der Meinungsfreiheit, der Pressefreiheit als gemeinsamem
Fundament. Dieses zu bewahren, darauf müssen wir bestehen.“ In einem Ausblick für die Justiz des Landes ging der Minister
auf die digitale Revolution ein. Sie wälze das Berufs- und Privatleben der Menschen um. „Die Justiz in Baden-Württemberg
muss und will mit dieser gesellschaftlichen Entwicklung Schritt halten. Unser Ziel ist die Stärkung und Modernisierung der Justiz und
damit die Selbstbehauptung des Rechtsstaats in der Zukunft.“ Minister Wolf schloss mit einem Dank an alle Beschäftigten der
baden-württembergischen Justiz.
Auch die Präsidentin des Bundesgerichtshofs Bettina Limperg stellte den Begriff des Rechtsstaats in den Mittelpunkt ihres
Grußworts. Sie sah es einerseits als gutes Zeichen, dass – gerade vor dem Hintergrund eines zweimaligen verheerenden Versagens
deutscher Justizsysteme im 20. Jahrhundert – über die Voraussetzungen eines funktionierenden Rechtsstaats diskutiert werde.
Andererseits sei es kein gutes Zeichen, dass so vieles, was bislang selbstverständlich erschien, heute in Frage gestellt wird. Ein
modernes, bürgernahes und effizientes Gerichtswesen erfordere erhebliche Investitionen vor allem in das Personal. Denn ein
Justizsystem, das von den Menschen nicht als funktionsfähig, als unabhängig und als gerecht empfunden werde, verliere ihr
Vertrauen und führe zu Staatsverdrossenheit.
Den Festvortrag hielt der Rechtshistoriker Dr. Benjamin Lahusen. Unter dem Titel: „Das Reich der Mamelucken – Überlegungen
zur Entstehung der bürgerlichen Justiz“ machte er am Beispiel des Werdegangs von Johann Philipp Christian Heuchelin, dem ersten
Vorstand des Kreisgerichtshofs in Ellwangen, anschaulich, wie sich die bürgerlichen Juristen im 19. Jahrhundert von Monarch und Adel
ebenso wie von den Ständen emanzipierten und im Wechselspiel von strikter Gesetzesbindung und richterlicher Unabhängigkeit
„eigensinnig“ ihre Machtposition entwickelten. „Wenn es galt, die Privilegien der Stände zu beschneiden oder
fürstliche Kabinettsjustiz abzuwehren, pochten die Juristen auf ihre Unabhängigkeit; sobald dagegen dem Fürsten die
Kontrolle über das Regierungshandeln entwunden werden sollte, wurde die hermeneutische Strenge der Rechtsanwendung betont, die den
weiteren Ausbau des Justizstaats zum risikofreien Geschäft machte.“
Die Präsidentin des Oberlandesgerichts Cornelia Horz wies in ihren Dankesworten auch auf die Broschüre hin, die zum Jubiläum
erschienen ist. Sie enthält Grußworte des Ministers der Justiz und für Europa und der Präsidentin des
Bundesgerichtshofs sowie einen Essay von Dr. Lahusen. In vier Abschnitten wird auf die Anfangsjahre der Gerichtshöfe eingegangen.
Die Jubiläumsbroschüre als PDF finden Sie [hier].
Der Festakt wurde musikalisch umrahmt durch das Streicherensemble der Städtischen Musikschule „Johann Melchior Dreyer“ mit
Werken des Namensgebers der Schule.
Die Stadt Ellwangen bewahrt die Erinnerung an den gemeinsamen Festakt durch einen Eintrag der Ehrengäste ins Goldene Buch der Stadt. Ein Stehempfang auf Einladung des Herrn Ministers rundete die Veranstaltung ab.
Berichte:
Bericht
Schwäbische Post
Bericht
Ipf- und Jagst-Zeitung
Schüler-Moot-Courts am 11. April 2019
Im Rahmen des Jubiläums veranstaltete das Landgericht Ellwangen mit Schülerinnen und Schülern des Kopernikus-Gymnasiums
in Wasseralfingen sowie des Gymnasiums St. Gertrudis, des Hariolf-Gymnasiums und des Peutinger-Gymnasiums in Ellwangen
Schüler-Moot-Courts. Darüber berichteten die Schwäbische Post, die Ipf- und Jagst-Zeitung und regioTV:
Bericht
Schwäbische Post
Bericht
Ipf- und Jagst-Zeitung
RegioTV